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Dienstag, 5. März 2013

Das Ende eines Klassikers

       Billy ade

Mancher kennt ihn, manche hat ihn; den Billy, dieses Ikea-Büchergestell, das vielleicht weltweit am meisten verkaufte. Mit dubiosen Schrauben und Muffen zusammengehalten, steht der Spanplatten-Klassiker in unzähligen Studentenbuden, in Familienwohnungen, in Keller, Schober, Lagern und Dachböden - überall dort, wo das Stapeln, Stellen, Legen und Ordnen eine gewisse Priorität hat - und nicht viel kosten darf. Dann kommt bei manch  alternder Seele ein Lebensabschnitt, wo Innenausstattungen aus Spanplatten und Ikea nicht mehr richtig zum Style, zum Lebensgefühl passen. Billy muss raus! Ich gehe in Zürich durch ein nobleres Viertel. Es ist schon beinahe am Einnachten, und die Umzugstermine stehen an. Zwei Herren, ich schätze sie knapp über dreissig, treten mit einem schwarzen Billy ins Bild. Sie tragen das Regal lachend aber wie ein Sarg aus dem Haus, öffnen die Tür des Vorgartens, tragen Billy auf das Trottoir, stellen ihn behutsam auf den Asphalt. Die beiden Herren unterhalten sich im Halbdunkel angeregt und gut gelaunt. Morgen wird die Kehrichtabfuhr kommen, Billy zermalmen. Die beiden Herren stehen neben dem Regal, lachen, reden, lachen. Plötzlich und aus dem Nichts, versetzt einer den beiden Gestalten dem aufrechten, intakten Billy einen forschen Fusstritt, ohne Emotion, fast beiläufig, als wollte er dem Möbelstück nicht weh tun. Billy kippt um, sackt in sich zusammen, seine Seitenwände knallen auf den Asphalt, etwas Staub und Sägemehl wirbelt für einen Augenblick auf. Billy ist erledigt, Sperrgut. Für die beiden Herren beginnt ein neuer Lebensabschnitt, an einem neuen Ort, ohne Billy, mit neuen, noblen Regalen und mit einem neuen Style.




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